Gipfeltreffen zur Hasen-Myxomatose

Die Bejagung des Feldhasen in den betroffenen Revieren muss differenziert betrachtet werden (Foto: Anika Börries)

Die Myxomatose wütet nun schon im zweiten Jahr in Deutschland und sorgt in vielen Revieren für unglückliche und teilweise verzweifelte Jagdausübungsberechtigte. Aus diesem Grund lud die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) Anfang September zum Hasen-Myxomatosen-Gipfel ein. Man traf sich in Lingen auf dem Hof vom Vizepräsidenten Josef Schroer, am Tisch saßen alle zuständigen Verbandsmitarbeiter, Ehrenamtler und Wissenschaftler aus den betroffenen Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Seinen Ursprungsort hat das Virus bei dem iberischen Feldhasen – und für niemanden ist es nach wie vor nachvollziehbar, wie das Virus vom iberischen Feldhasen aus Spanien in den Norden Deutschlands oder nach Tschechien und Österreich gelangen konnte. Es stellte sich die Frage: „Lassen wir das Seuchengeschehen auf uns zukommen, oder sind wir vorsichtig?“ Vor allen Dingen wurde die Thematik diskutiert, warum teilweise nur bestimmte Revierteile von der Myxomatose betroffen sind, 200 Meter weiter aber alle Hasen gesund sind. Klar war für alle Beteiligten, dass das Virus unaufhaltsam ist. Werden Jägerinnen und Jäger unvernünftig und halten sich nicht an die hier aufgeführten Verhaltensregeln, kann auch ein Flächenbrand entstehen. Dr. Luisa Fischer, die von Anfang an in NRW das Seuchengeschehen betreut hat, machte in der Runde deutlich, dass es vorbildlich sei, dass man sich trifft, sich gemeinsam abstimmt und an einem Strang zieht. Josef Schroer, der mit seinem Revier selbst extrem betroffen ist, betonte, dass die Hasenmyxomatose eine der größten Katastrophen ist, die die Landesjägerschaft in den vergangenen Jahrzehnten getroffen hat. „Es hat alles übertroffen, was ich an Elend bis zu dem Moment in meinem Leben gesehen habe“, so Schroer.

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Krankheitsverlauf bei den Tieren insofern geändert, als dass sie nicht mehr so schwer krank sind wie im Jahr 2024.

Im Rahmen des mehrstündigen Arbeitstreffens wurde deutlich, auf welch hohem Niveau die Wissenschaft gegenwärtig an dem Thema arbeitet. Tatsächlich befindet man sich aber immer noch ganz am Anfang, da man heute noch nicht mal sicher weiß, welche Mücke für die Verbreitung der Pockeninfektion verantwortlich ist und welche anderen Übertragungswege möglich sind. Aus der Literatur sind bei Pockenviren die Mücken der wahrscheinlichste Überträger. Die Methodik des Nachstellens von Mücken und des Mücken-Monitorings ist allerdings hochkomplex. Zudem: Nicht jede Mücke saugt an jedem Tier, nicht jede Mücke saugt am Hasen. Bei der Myxomatose gibt es auch in Richtung der Vektoren ein riesiges Fragezeichen. Am Ende der Veranstaltung kamen die Teilnehmer zu dem Fazit, dass man an der Krankheit an sich nichts tun kann. Belastete Bestände sollten durch intensive Prädatorenbejagung geschützt werden. Abschließend muss die Bejagung in den betroffenen Revieren immer differenziert betrachtet werden.

 Wulf-Heiner Kummetz

Beim Gipfletreffen haben sich Wissenschaftler und Verbandsfunktionäre ausgetauscht (Foto: LJN)

​Zwischenstand zur Hasen-Myxomatose

Besatzeinschätzung 2024

Die Besatzeinschätzung des Feldhasen zwischen Frühjahr und November 2024 ergab, dass in 55 % aller Reviere mit Myxomatose-Vorkommen der Hasenbesatz abnahm, in 25 % gleichblieb und in 20 % sogar zunahm, wohingegen nur in 14 % der Reviere ohne Myxomatose-Vorkommen der Besatz abnahm. Es gab dabei einen gering bis moderat ausgeprägten statistischen Zusammenhang.

Besatzeinschätzung 2025

Die Besatzeinschätzung des Feldhasen zwischen Januar und September 2025 ergab, dass in 25 % aller Reviere mit Myxomatose-Vorkommen der Hasenbesatz abnahm, in 36 % gleichblieb und in 39 % sogar zunahm, wohingegen nur in 2 % der Reviere ohne Myxomatose-Vorkommen der Besatz abnahm, in 45% gleichblieb und in 53 % zunahm.

Eine Auswertung der Umfrageergebnisse der Jägerschaft Lingen ergab, dass ein Vorkommen der Myxomatose in 2024 zu keiner Besatzabnahme in 2025 führte. Lediglich beim Vorkommen in ’24 und ’25 meldeten 30 % aller Reviere eine Abnahme, wohingegen 40 % eine Zunahme notierten. In beiden Jahren war die Myxomatose in rund 50 % der Reviere festzustellen, allerdings schien die Verteilung in den Hegeringen zu wechseln, und zwar in der Art, dass Hegeringe mit Vorkommen der Myxomatose in 2024 im folgenden Jahr 2025 weniger betroffen waren und umgekehrt. Aufgrund der geringen Beteiligungsrate in 2025 mögen diese Ergebnisse nicht repräsentativ sein. Allerdings verdichten sich die Hinweise, auch aus Nordrhein- Westfalen, dass Reviere mit Myxomatose-Vorkommen in 2024 im folgenden Jahr wieder einen Zuwachs hatten oder der Besatz zumindest stabil blieb.

Räumliche und zeitliche Entwicklung

Mitte September 2024 mehrten sich die Fälle von Myxomatose beim Hasen, erreichten ihren Höhepunkt Mitte/Ende Oktober und kamen im November fast zum Erliegen. In 2025 ist ein möglicher Anstieg der Fälle erst im Juli zu beobachten. Aufgrund der geringen Beteiligungsrate und der noch stehenden Vegetation entsteht hier ggf. ein falscher Eindruck.

Der räumliche-zeitliche Verlauf ist trotz weniger Fallzahlen deutlich zu erkennen. Ausgehend von den Jägerschaften Lingen, Grafschaft Bentheim und Meppen breitete sich das Virus zwischen Anfang September und Ende Oktober sprunghaft und relativ schnell in nördliche und östliche Richtung aus. Die Ausgangslage passt zum räumlichen Vorkommen der Myxomatose in Nordrhein Westfalen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit wird auf 3-4 Kilometer pro Tag oder 200 km in 2 Monaten geschätzt. Die Ursachen sind zum aktuellen Zeitpunkt spekulativ und könnten in der Winddrift von blutsaugenden Insekten liegen, aber auch im Weitertransport durch den Menschen selbst. Mittlerweile ist die Hasen-Myxomatose in Schleswig-Holstein angekommen. Die ersten erkrankten Hasen wurden im Sommer an der Westküste gefunden, mittlerweile hat das Virus auch Kreise im Landesinneren von Schleswig-Holstein erreicht.

Dr. rer. nat. Ulrich Voigt

Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW)

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

(Foto: Sebastian Kapuhs)

Handlungsempfehlungen – Stand Oktober 2025

Wir möchten alle Revierinhaber darauf hinweisen, vermehrt auf kranke Hasen und Fallwild zu achten bzw. diese gegebenenfalls zu entnehmen: Bitte beobachten Sie auch Ihre Kaninchenbesätze. Das hohe Maß an Eigenverantwortlichkeit und Verantwortungsbewusstsein, das die Revierinhaber in Niedersachsen auszeichnet, soll mit den nachstehenden Empfehlungen unterstützt werden:

  • Aus neu betroffenen Revieren, also Revieren, in denen das Virus bislang noch nicht vorgekommen ist, senden Sie verendete oder offensichtlich krank erlegte Feldhasen als auch Kaninchen an die Stellen des LAVES in Hannover, Oldenburg oder das zuständige Kreisveterinäramt. Bitte beachten Sie dabei, dass eine Anzahl von 3 Tieren pro Revier ausreichend ist, um die Untersuchungsämter nicht zu überlasten.
  • Bitte geben Sie auf dem Einsendebogen unbedingt an, dass eine Kopie des Befundes an das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) gesendet wird.
  • Führen Sie in Ihrem Revier eine Feldhasen-Zählung mittels Scheinwerfer oder Wärmebildkamera durch und melden Sie die Ergebnisse im Rahmen der Wildtiererfassung (WTE) an die Landesjägerschaft, um negative Populationsentwicklungen frühzeitig zu erkennen. Die WTE ist ein wichtiges Instrument, um das Vorkommen und die Auswirkungen dieses Seuchenzuges gezielt zu beobachten und daraus Maßnahmen und Empfehlungen abzuleiten.
  • In Revieren mit akutem Ausbruchsgeschehen und Anzeichen von Myxomatose oder anderen Krankheiten im Besatz sollte auf eine Bejagung der Hasen verzichtet werden.
  • In betroffenen Revieren: Auslassen der Hundearbeit, keine Weitergabe von Schleppwild. Zudem achten Sie auf Hygienemaßnahmen, um das Virus nicht weiterzutragen. Das betrifft auch Schuhwerk, Kleidung und Ausrüstung.
  • Bergung & unschädliche Beseitigung von verendeten Tieren (soweit nicht eingeschickt), um eine Ausbreitung dieser relativ umweltresistenten Viren zu verhindern. In Fällen von massenhaft auftretenden verendeten Tieren, sollten über die Jägerschaft die entsprechenden Stellen am Landkreis in den Vorgang der Entsorgung der Kadaver miteinbezogen werden.
  • In Revieren ohne auffällige Fallwildzahlen und stabilen oder angestiegenen Besätzen kann die Bejagung selbstverständlich nachhaltig und verantwortungsvoll durchgeführt werden. Das ohnehin regelmäßig erfolgende Zählen und Erfassen der aktuellen Besätze im Vorfeld, gepaart mit der Eigenverantwortlichkeit und dem Verantwortungsbewusstsein der Revierinhaber, bietet die entsprechende Grundlage.
  • Eine intensive Bejagung der Prädatoren hilft auch hier, um die Feldhasenbestände zu stützen.